Nimm zwei! – Bessere Texte durch eine gesunde Variation

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Meinem Lehrer war beim Korrigieren meiner Aufsätze nicht unbedingt langweilig. Die mir damals noch verhassten Kommas setzte ich eher sparsam ein und mit der Rechtschreibung hatte ich sowieso meine Schwierigkeiten. Mein Lehrer ergänzte fehlende Satzzeichen und vermerkte die richtige Schreibweise. Ab und an las ich auch die Abkürzung „Wdh.“ in meinem Heft. Ich hatte mit einem der obersten Stil-Gebote gebrochen, dem Wechsel im Ausdruck. Um es zu Übungszwecken gleich einmal umzuformulieren: Ich hatte ein Wort mindestens zweimal benutzt – mit zu wenig Platz dazwischen.

Anders als bei der Rechtschreibung und Zeichensetzung korrigierte mein Lehrer diesen Wiederholungsfehler allerdings gar nicht, er strich ihn nur an. Denn um ein solches Manko zu verbessern, reicht der Blick in den Duden nicht. Der Pädagoge hätte ein Synonym-Wörterbuch bemühen oder sich selbst ein paar Gedanken machen müssen. Dieser Aufwand war ihm meine Klassenarbeit dann doch nicht wert. Einen Punkteabzug gab es indes sehr wohl.

Es ist zweifelsohne sinnvoll, in seinen Texten für eine sprachliche Variation zu sorgen. Sie vermeidet Monotonie und lässt den Text leben. Der Wechsel im Ausdruck ist aber kein einfaches Unterfangen, sofern man es mit seinem Text ernst meint. Wer lediglich mithilfe von Synonymen (oder vorhersehbaren Umschreibungen) versucht, zwanghaft eine entstandene Wortwiederholung auszumerzen, der tut ihm nicht gut.

Was ist das Problem mit Synonymen?

  • Konkretes Schreiben
    Es gibt nicht zwei Wörter mit einer identischen Bedeutung. Ein Synonym ist niemals das treffendste Wort. Die journalistische Ausbildung lehrt aber, möglichst konkret zu schreiben. Schreibe ich „Fahrzeug“, um „Auto“ zu umgehen, werde ich allgemeiner. Nur beim „Auto“ hat der Leser sofort ein Bild vor Augen (das “K” in der Freak-Formel).
  • Erschwertes Verstehen
    Nutze ich andere als die treffendste Bezeichnung, erschwere ich das Verständnis. Paris ist eine französische Metropole, es gibt aber auch andere Städte in Frankreich, die so bezeichnet werden könnten. Der Schreiber setzt voraus, dass der Leser zuvor „Paris“ zur Kenntnis genommen hat. Hat er das nicht, wird er in den meisten Fällen nicht den Namen der Stadt suchen, er wird den Text beiseitelegen (das “E” in der Freak-Formel).
  • Vorhersehbarer Inhalt
    Oftmals sind Synonyme vorhersehbar und wirken daher floskelhaft. Sie kennen das: Nach „Paris“ kommt immer erst „französische Hauptstadt“, dann „Metropole“ und schließlich „die Stadt an der Seine“. Dies wiederspricht der Regel, anders, frisch zu schreiben und auf Floskeln und Marotten zu verzichten (das “F” in der Freak-Formel).

Wie Sie besser variieren:

Wer Wortwiederholungen durch bloße Synonyme umgeht (ich nenne es “Wortvariante”), sollte daher mit Bedacht vorgehen. Formulieren Sie den Satz besser so, dass keine Wörter wiederholt werden müssen (“Satzvariante”). Nutzen Sie dafür zum Beispiel Nebensätze, Pronomen, Adverbien oder Aufzählungen. Auch Mischformen sorgen für eine gesunde Variation.

  • Ausgangssatz mit Wiederholungen
    Peter Lorenz wechselte vor zehn Jahren von London nach Paris. Jetzt übernahm er die Leitung unserer Niederlassung in Paris. In Paris lernte er auch seine heutige Ehefrau kennen.
  • Wortvariante mit Synonymen/Umschreibungen
    Peter Lorenz wechselte vor zehn Jahren von London nach Paris. Jetzt übernahm er die Leitung unserer Niederlassung in der französischen Metropole. Auch seine heutige Ehefrau lernte er in der Stadt an der Seine kennen.
  • Satzvariante bzw. Mischform
    Peter Lorenz hat die Leitung unserer Niederlassung in Paris übernommen. Vor zehn Jahren war er von London in die französische Hauptstadt gewechselt und hatte dort auch seine heutige Ehefrau kennengelernt.

Für welche Variante Sie sich entscheiden, hängt nicht nur von der spezifischen Textgattung und dem Kontext ab, sondern auch von der Zielgruppe und der Art der Publikation.

Fazit: Wenn Sie Texte schreiben oder redigieren, versuchen Sie, Wortwiederholung mithilfe einer der Varianten oder einer Mischform sinnvoll zu umgehen. Wenn Sie merken, dass Ihre Sätze umständlich oder gestelzt klingen oder die Verständlichkeit leidet, lassen Sie es mit der Umformulierung und halten sich (auch ich habe dies mehrmals in diesem Beitrag getan) an folgende Regel: Muss ein Wort wiederholt werden, wiederholen Sie das Wort.

Grafik/Montage: Volker Lahr