Ein Brief aus Bielefeld

Fehlerfrei

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Kommt ein Mann in eine fremde Stadt und möchte sich die Haare schneiden lassen. Es gibt nur zwei Friseure, der eine hat eine tolle Frisur, der andere eine schlechte. Von wem lässt sich der Mann die Haare schneiden? Natürlich von dem mit der schlechten Frisur. Da es keine anderen Friseure gibt, müssen sich die beiden gegenseitig die Haare schneiden.

Warum erzählt er uns das? Kürzlich wurde mir ein Brief von einem Bielefelder „Start-up-Unternehmen“ zugespielt, das sich auf die „Suche und Darstellung von Rechtschreib-, Zeichensetzungs- und Grammatikfehlern von Unternehmen auf deren Internetpräsenz“ spezialisiert hat.

Der Verfasser schreibt, dass die „Internetpräsenz das Aushängeschild eines Unternehmens“ sei und die sollte „so gut wie möglich Fehlerfrei“ sein. Jetzt frage ich mich, warum er so „fehlerfrei“ schreibt. Gut, ist halt eine wichtige Sache – sollte man in jedem Fall großschreiben. Und weiter: „Wir haben mit unserer Arbeit bereits „Namenhafte Unternehmen unterstütz“. Mit Adjektiven hat er es nicht so. Und den ganz Ausgefuchsten ist sicherlich auch der fehlende Buchstabe bei „unterstützt“ aufgefallen.

Aber halt! Auch wenn es vielleicht Spaß macht – ich will mich hier nicht über den Kollegen oder Mitbewerber lustig machen. Das würde mir nie in den Sinn kommen. Wir gehen einfach einmal vom Besten aus: Er hat seinen Text selbst Korrektur gelesen und das kann, wie wir wissen, nicht gut gehen. Daher kann man auch nun nicht ohne Weiteres über seine Leistung als Korrektor urteilen. Man könnte ihm höchstens vorwerfen, dass er seinen Text keinem oder keinem guten Korrektor gegeben hat.

Ich könnte helfen und würde mich natürlich dann an der Arbeitsweise des Bielefelders orientieren: Einen „Screenshot von den betroffenen Absätzen“ erstellen und ihm den mit der „Markierung des Entsprechenden (!) Fehlers und dem dazu gehörigem (!) Link“ zukommen lassen – und das alles „postalisch“. Das Abrechnungsmodell finde ich auch ganz sexy: 25 Euro pro Fehler. Wenn ich mir die drei Absätze des Briefes mal so richtig kritisch ansehe, kann ich ihm eine Rechnung über 400 Euro dazulegen. Plus Porto.

Was lernen wir aus der ganzen Geschichte, außer dass es Bielefeld gibt? Beurteilen Sie Ihren Friseur nicht nach seiner Frisur. Meiner hat übrigens eine Glatze, das macht es noch einfacher.

Grafik: Volker Lahr