Lebenszeichen aus dem Osten

Feldpostbrief

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Im Nachlass meiner Großmutter fanden wir 15 Feldpostbriefe, die mein Großvater während des Zweiten Weltkrieges, bis auf zwei Ausnahmen, direkt von der Ostfront an seine Frau in Bochum geschickt hatte. Die Schilderung der Ereignisse aus erster Hand hat mich sehr berührt, zumal nicht nur (indirekt) das Geschehen an der Front thematisiert wird, sondern auch die Auswirkungen des Krieges auf meine Großmutter und meine Mutter.

Ich habe daher vor einigen Jahren alle Briefe abgetippt und sie unter dem Titel „Lebenszeichen aus dem Osten“ als kleines Taschenbuch drucken lassen. Sieben der acht Exemplare habe ich an Familienangehörige verschenkt. In mein eigenes Buch schaue ich ab und an hinein. Dabei fällt mir, und darum schreibe ich es in diesem Blogbeitrag, auch aus sprachlicher Sicht etwas Neues auf. So berichtet mein Großvater am 7. Januar 1945:

„Ab gestern sind wir in Ruhe, und sind weit vom Schuss, ungefähr 40 Kilometer.“

„Weit vom Schuss“ bedeutet ursprünglich „weit weg von der Front“. Auch diese Redewendung, die schon in der Antike bekannt war (Extra telorum jactum sedere), hat wie in so vielen Fällen („Dieser Schuss ging nach hinten los“, „Jemandem den Laufpass geben“ oder „Auf Vordermann bringen“) ihren Ursprung im Militär.

Einen anderen bemerkenswerten Begriff lese ich in dem Brief am 28. Dezember 1944. Über die Weihnachtstage war mein Großvater nicht am Kriegsgeschehen beteiligt – er befand sich im „Bombenurlaub“.

„Bin noch gesund, was ich von Dir und den Kindern auch noch hoffe. Die Stimmung ist nicht besonders bei mir, wenn man aus dem Bombenurlaub kommt und steht jetzt wieder vorne.“

Angesichts der aktuellen Kriegsauseinandersetzung in der ganzen Welt weiß ich es sehr zu schätzen, dass ich „weit vom Schuss“ nur im übertragenen Sinn verwende – und dass ich meinen Urlaub als „Bombenurlaub“ bezeichnen darf, selbst wenn ich damit nur das gute Wetter, eine schöne Landschaft oder tolle Erlebnisse meine.

Der letzte Brief der Sammlung ist vom 7. Januar 1945. Laut eines Gutachtens des Deutschen Roten Kreuzes vom 3. Oktober 1975 ist mein Großvater mit „hoher Wahrscheinlichkeit bei den Kämpfen, die in der zweiten Januarhälfte 1945 im Raum Krakau geführt wurden, gefallen“. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. vermutet, dass er auf dem kommunalen Friedhof im polnischen Tarnow oder auf einem Friedhof in der Umgebung anonym begraben wurde.

“Wann wird der abscheuliche Krieg mal ein Ende haben?” (1. November 1944)
„Halte Dich gesund und munter, lass den Mut nicht sinken, und sei voller Hoffnung.“
(24. Oktober 1944)